T  o  n  s  p  l  i  t  t  e  r
> Home    > Publikationen      > Werner Hinzes Liederwerkstatt     
281224Nsw5b.jpg
Weihnachtsgruß der HVZ vom 24.12.1924
„Friede auf Erden - durch die proletarische Revolution“
HVZ300222sw3.jpg
HVZ vom 22.2.1930:
„Es lebe die Armee des Weltproletariats!“
LdProp308.jpg
Landagitation des RFB
Stadt-Land1b.jpg
Arbeiter in Stadt und Land,
durch Einheit in der Roten Front,
zum Sieg!
 
Schalmeienklänge im Fackelschein      - 3 -
Auszug: Kap. 4.2.2.1 (S. 312-322)      
 
Die „Taktik“ des Faschismus sei es nun einerseits, die physische „Vernichtung des klassenbewußten Kerns der Arbeiterschaft“, also der Mitglieder der KPD-Umfeldorganisationen, und andererseits die politische „Eroberung ihrer schwankenden nicht bewußten Peripherie“ zu betreiben. Letzeres sei die Aufgabe der reformistischen Arbeiterführer, die ihm die Möglichkeit verschafften, „alle revolutionsfeindlichen Stimmungen, alle sozialverräterischen und sozialpatriotischen, alle antibolschewistischen und kleinbürgerlichen Strömungen innerhalb des Proletariats für die Interessen des Großkapitals auszunutzen“.

Das „Wesen“ des Faschismus und gleichsam seine „politische Kraft“ sei, die beiden Elemente der „Taktik“ zu verbinden.

In der Erklärung der „gegenwärtigen“ Lage folgte eine intensive rückblickende Auseinandersetzung mit den Ereignissen des Jahres 1923, die besonders der innerparteilichen Klärung gedient haben dürfte. So wurde eindringlich „nationalbolschewistischen Gedanken“ eine Abfuhr erteilt und als deren Produzenten ausschließlich „zahlreiche Wortführer der schwarzweißroten Verbände“ ausgemacht. Außerdem wurde ein Vergleich dieses Krisenjahres der KPD mit der Situation zum „Stahlhelmtag“ 1927 gezogen, in dem als Repräsentanten des damaligen Faschismus die „Völkische Bewegung“ mit den beiden Repräsentanten Hitler („zum bewaffneten Sturz der Republik“) und Schlageter („zum heftigsten Kampf gegen die bestehende republikanische Staatsform“) festgemacht und mit den zu jenem Zeitpunkt agierenden Ehrhardt und Mahraun bzw. dem Stahlhelm verglichen wurden. Lag seinerzeitig die organisatorische Basis in Bayern, dem „industriell rückständigsten deutschen Staat“, versuche nun der Stahlhelm sie „nach Mitteldeutschland, dem Herzogtum des Chemietrusts, dem Reich des größten finanzkapitalistischen Monopolverbandes und nach anderen Industriegebieten in Deutschland zu verlegen“. Nachdem Schlageter von den Franzosen erschossen worden sei und Hitler „selbst von der bayrischen Justiz zum Schweigen verurteilt“ worden war, habe sich eine „vollständige Umgruppierung der politischen Kräfte“ ergeben. Die „gegenwärtige Entwicklung des deutschen Faschismus“ sei durch drei „grundlegende Tatsachen charakterisiert“. So habe sich „nach der Oktoberniederlage der Arbeiterklasse, der Räumung des Ruhrgebiets und der Annahme des Dawes-Plans“ das „national unterjochte Deutschland der Nachkriegszeit in das imperialistische Deutschland der Gegenwart verwandelt“.

„An die Stelle der akut revolutionären Situation von 1923 ist die relative Stabilisierung der bürgerlichen Herrschaft, die Aufrichtung des Hindenburg-Regimes, die Regierung des Bürgerblocks, die rücksichtslose Offensive des Unternehmertums mit den Methoden der kapitalistischen Nationalisierung getreten.“(91)

Verschärft würde die Situation durch „die neueste Entwicklung der internationalen Politik“. An erster Stelle sei es der englische Imperialismus, der „in der ganzen Welt zur kriegerischen Intervention gegen die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ rüste. Alle „imperialistischen Konflikte“ würden sich ebenso wie alle sozialen und nationalen Kämpfe“ um „den einen Grundwiderspruch“ gruppieren:

„um den entscheidenden Gegensatz zwischen der englischen Bourgeoisie und dem Staat der proletarischen Diktatur.“(92)

Seit dem „großen englischen Bergarbeiterstreik“ mische sich die Chamberlain-Regierung nicht nur in die inneren Klassenkämpfe aller europäischen Staaten ein, sondern betreibe eine „diplomatische und militärische Einkreisung der Sowjetunion mit der blutigen Niederschlagung der kolonialen Freiheitsbewegungen“.

„Das konservative englische Kabinett ist nicht nur der Organisator des kommenden Weltkrieges, sondern auch der Schrittmacher für die Zerstörung der modernen Arbeiterbewegung.“(93)

Chamberlain schüre „den weißen Terror, den Faschismus“. Während „die internationale und deutsche Bourgeoisie“ aufs „schärfste die faschistische Bewegung in Deutschland“ fördere, habe Churchill in Rom Mussolini ermuntert und als „Gegengift gegen die tierischen Gelüste und Ansprüche des Leninismus“ bezeichnet.

Auf Deutschland bezogen wurde „jede einzelne Handlung des Bürgerblocks“ als ein „konterrevolutionärer Vorstoß gegen die Arbeiterschaft“ und somit „Unterstützung des Faschismus“ bezeichnet. Der Reichsfrontsoldatentag des Stahlhelm, der als „Aufmarsch des deutschen Faschismus“ bezeichnet wurde, stelle somit „eine unmittelbare Funktion der englischen Kriegspolitik und der Regierung des Bürgerblocks“ dar. Er sei das legale Machtinstrument des republikanischen bürgerlichen Staates. Nach einem rückblickenden Vergleich zu Hitlers angekündigten „Marsch nach Berlin“ vom Herbst 1923 stellten die Autoren fest:

„Der Aufmarsch in Berlin ist die schärfste Kampfansage, der provokatorische Angriff gegen die gesamte organisierte Arbeiterschaft in Berlin und ganz Deutschland.“(94)

Wenn die Republik derzeit auch „noch nicht die faschistische Diktatur nach dem Muster italiens“ sei, so verkörpere die bereits „das Höchstmaß der im gegenwärtigen Moment erreichten Voraussetzungen für die Errichtung dieser Diktatur“. Die Faschisten würden „ihren Eintritt in die kapitalistische Republik“ weder vollziehen, „um sie zu zerstören, noch um sie in ihrer heutigen Form bestehen zu lassen“. Denn das „Hindenburg-Regime“ brauche „nicht gestürzt, sondern nur vervollkommnet zu werden, um ein echtes, unverfälschtes Mussolini-Regime zu werden“. Es bilde lediglich den „Übergang von der reaktionären Republik zur faschistischen Staatsform“. Sein Ziel sei „die konsequente vollständige Beseitigung der letzten Reste aus der demokratischen parlamentarischen Vergangenheit, die diesem Staat noch anhaften“.

Abschließend folgte ein letzter Angriff gegen die „sozialdemokratischen Verteidiger dieses Staates“, die „Seite an Seite“ mit der „faschistischen Offensive“ agierten und ein warnendes und den RFB-legitimierendes Fazit:

„Die deutschen Faschisten haben von 1919 bis 1923 nicht nur durch historische Untersuchungen, sondern durch sehr handgreifliche Erfahrungen mehr als einmal erfahren, daß die Niederschlagung der deutschen Arbeiterklasse kein leichtes Werk ist. Sie wissen, daß der Übergang von der Hindenburg-Republik zur faschistischen Staatsform nicht ohne eine gewaltsame Erschütterung, nicht ohne den offenen Bürgerkrieg möglich ist. Darum rüsten sie mit vollem Bewußtsein zum Bürgerkrieg gegen das Proletariat, zum bewaffneten Kampf, zum Aderlaß an den ,roten Massen’. Ihr Aufmarsch ist nur in der Form friedlicher, aber in Wirklichkeit großzügiger, zielbewußter und darum gefährlicher als in der Vergangenheit [gesp.].“(95)

Am Tag nach dem Stahlhelmaufmarsch in Berlin behauptete die HVZ nicht nur, daß die „Rote Klassenfront“ die Straßen Berlins beherrscht habe, sondern gab ein Beispiel, indem sie zusätzlich „das Wesen einer Bürgerblockarmee“ charakterisierte, aus deren Beschreibung nur zu deutlich die eigenen Vorstellungen hervorschimmerten:

„Zwangssoldaten, in kümmerliches Zeug gekleidet, marschierten neben durchaus bestgekleideten und gerüsteten vollgefressenen Herren. Als die Arbeiter mit dem Gesang der ,Internationale’ die Musik der Stahlhelmer übertönten, gingen die Stahlhelmarbeiter mit geduckten Köpfen, ohne ,Frontheil’ Geschrei.“(96)
Musik-line1.jpg
Z e i t s c h r i f t   f ü r   M u s i k -   u n d   S o z i a l g e s c h i c h t e  (ZMUSO)
Reinh-4-6bx.bmp
Reinh-4-6bx.bmp
>„Faschismus“-Vorstellung der KPD S. >1 >2 >3 >4 >5 (Anm.)  >Als PDF  > ZMUSO   > Die Schalmei