Schalmeienklänge
im Fackelschein - 3 -
Auszug: Kap. 4.2.2.1
(S. 312-322)
Die
„Taktik“ des Faschismus sei es
nun einerseits, die physische
„Vernichtung des
klassenbewußten Kerns der
Arbeiterschaft“, also der Mitglieder
der KPD-Umfeldorganisationen, und
andererseits die politische
„Eroberung ihrer schwankenden nicht
bewußten Peripherie“ zu
betreiben. Letzeres sei die Aufgabe der
reformistischen Arbeiterführer, die
ihm die Möglichkeit verschafften,
„alle revolutionsfeindlichen
Stimmungen, alle sozialverräterischen
und sozialpatriotischen, alle
antibolschewistischen und
kleinbürgerlichen Strömungen
innerhalb des Proletariats für die
Interessen des Großkapitals
auszunutzen“.
Das
„Wesen“ des Faschismus und gleichsam seine
„politische Kraft“ sei, die
beiden Elemente der „Taktik“ zu
verbinden.
In der Erklärung
der „gegenwärtigen“ Lage
folgte eine intensive rückblickende
Auseinandersetzung mit den Ereignissen des
Jahres 1923, die besonders der
innerparteilichen Klärung gedient
haben dürfte. So wurde eindringlich
„nationalbolschewistischen
Gedanken“ eine Abfuhr erteilt und als
deren Produzenten ausschließlich
„zahlreiche Wortführer der
schwarzweißroten Verbände“
ausgemacht. Außerdem wurde ein
Vergleich dieses Krisenjahres der KPD mit
der Situation zum
„Stahlhelmtag“ 1927 gezogen, in
dem als Repräsentanten des damaligen
Faschismus die „Völkische
Bewegung“ mit den beiden
Repräsentanten Hitler („zum
bewaffneten Sturz der Republik“) und
Schlageter („zum heftigsten Kampf
gegen die bestehende republikanische
Staatsform“) festgemacht und mit den
zu jenem Zeitpunkt agierenden Ehrhardt und
Mahraun bzw. dem Stahlhelm verglichen wurden. Lag
seinerzeitig die organisatorische Basis in
Bayern, dem „industriell
rückständigsten deutschen
Staat“, versuche nun der Stahlhelm sie „nach
Mitteldeutschland, dem Herzogtum des
Chemietrusts, dem Reich des
größten finanzkapitalistischen
Monopolverbandes und nach anderen
Industriegebieten in Deutschland zu
verlegen“. Nachdem Schlageter von den
Franzosen erschossen worden sei und Hitler
„selbst von der bayrischen Justiz zum
Schweigen verurteilt“ worden war,
habe sich eine „vollständige
Umgruppierung der politischen
Kräfte“ ergeben. Die
„gegenwärtige Entwicklung des
deutschen Faschismus“ sei durch drei
„grundlegende Tatsachen
charakterisiert“. So habe sich
„nach der Oktoberniederlage der
Arbeiterklasse, der Räumung des
Ruhrgebiets und der Annahme des
Dawes-Plans“ das „national
unterjochte Deutschland der Nachkriegszeit
in das imperialistische Deutschland der
Gegenwart verwandelt“.
„An die Stelle
der akut revolutionären Situation von
1923 ist die relative Stabilisierung der
bürgerlichen Herrschaft, die
Aufrichtung des Hindenburg-Regimes, die
Regierung des Bürgerblocks, die
rücksichtslose Offensive des
Unternehmertums mit den Methoden der
kapitalistischen Nationalisierung
getreten.“(91)
Verschärft
würde die Situation durch „die
neueste Entwicklung der internationalen
Politik“. An erster Stelle sei es der
englische Imperialismus, der „in der
ganzen Welt zur kriegerischen Intervention
gegen die Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken“ rüste. Alle
„imperialistischen Konflikte“
würden sich ebenso wie alle sozialen
und nationalen Kämpfe“ um
„den einen Grundwiderspruch“
gruppieren:
„um den
entscheidenden Gegensatz zwischen der
englischen Bourgeoisie und dem Staat der
proletarischen Diktatur.“(92)
Seit dem
„großen englischen
Bergarbeiterstreik“ mische sich die
Chamberlain-Regierung nicht nur in die
inneren Klassenkämpfe aller
europäischen Staaten ein, sondern
betreibe eine „diplomatische und
militärische Einkreisung der
Sowjetunion mit der blutigen
Niederschlagung der kolonialen
Freiheitsbewegungen“.
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„Das
konservative englische Kabinett ist nicht
nur der Organisator des kommenden
Weltkrieges, sondern auch der Schrittmacher
für die Zerstörung der modernen
Arbeiterbewegung.“(93)
Chamberlain
schüre „den weißen Terror,
den Faschismus“. Während
„die internationale und deutsche
Bourgeoisie“ aufs
„schärfste die faschistische
Bewegung in Deutschland“
fördere, habe Churchill in Rom
Mussolini ermuntert und als
„Gegengift gegen die tierischen
Gelüste und Ansprüche des
Leninismus“ bezeichnet.
Auf Deutschland
bezogen wurde „jede einzelne Handlung
des Bürgerblocks“ als ein
„konterrevolutionärer
Vorstoß gegen die
Arbeiterschaft“ und somit
„Unterstützung des
Faschismus“ bezeichnet. Der Reichsfrontsoldatentag des Stahlhelm, der als „Aufmarsch des
deutschen Faschismus“ bezeichnet
wurde, stelle somit „eine
unmittelbare Funktion der englischen
Kriegspolitik und der Regierung des
Bürgerblocks“ dar. Er sei das
legale Machtinstrument des republikanischen
bürgerlichen Staates. Nach einem
rückblickenden Vergleich zu Hitlers
angekündigten „Marsch nach
Berlin“ vom Herbst 1923 stellten die
Autoren fest:
„Der Aufmarsch
in Berlin ist die schärfste
Kampfansage, der provokatorische Angriff
gegen die gesamte organisierte
Arbeiterschaft in Berlin und ganz
Deutschland.“(94)
Wenn die Republik
derzeit auch „noch nicht die
faschistische Diktatur nach dem Muster
italiens“ sei, so verkörpere die
bereits „das Höchstmaß der
im gegenwärtigen Moment erreichten
Voraussetzungen für die Errichtung
dieser Diktatur“. Die Faschisten
würden „ihren Eintritt in die
kapitalistische Republik“ weder
vollziehen, „um sie zu
zerstören, noch um sie in ihrer
heutigen Form bestehen zu lassen“.
Denn das „Hindenburg-Regime“
brauche „nicht gestürzt, sondern
nur vervollkommnet zu werden, um ein
echtes, unverfälschtes
Mussolini-Regime zu werden“. Es bilde
lediglich den „Übergang von der
reaktionären Republik zur
faschistischen Staatsform“. Sein Ziel
sei „die konsequente
vollständige Beseitigung der letzten
Reste aus der demokratischen
parlamentarischen Vergangenheit, die diesem
Staat noch anhaften“.
Abschließend
folgte ein letzter Angriff gegen die
„sozialdemokratischen Verteidiger
dieses Staates“, die „Seite an
Seite“ mit der „faschistischen
Offensive“ agierten und ein warnendes
und den RFB-legitimierendes Fazit:
„Die deutschen
Faschisten haben von 1919 bis 1923 nicht
nur durch historische Untersuchungen,
sondern durch sehr handgreifliche
Erfahrungen mehr als einmal erfahren,
daß die Niederschlagung der deutschen
Arbeiterklasse kein leichtes Werk ist. Sie
wissen, daß der Übergang von der
Hindenburg-Republik zur faschistischen
Staatsform nicht ohne eine gewaltsame
Erschütterung, nicht ohne den offenen
Bürgerkrieg möglich ist. Darum
rüsten sie mit vollem Bewußtsein
zum Bürgerkrieg gegen das Proletariat,
zum bewaffneten Kampf, zum Aderlaß an
den ,roten Massen’. Ihr Aufmarsch ist
nur in der Form friedlicher, aber in
Wirklichkeit großzügiger,
zielbewußter und darum gefährlicher als in der
Vergangenheit
[gesp.].“(95)
Am Tag nach dem
Stahlhelmaufmarsch in Berlin behauptete die
HVZ nicht nur, daß die „Rote
Klassenfront“ die Straßen
Berlins beherrscht habe, sondern gab ein
Beispiel, indem sie zusätzlich
„das Wesen einer
Bürgerblockarmee“
charakterisierte, aus deren Beschreibung
nur zu deutlich die eigenen Vorstellungen
hervorschimmerten:
„Zwangssoldaten,
in kümmerliches Zeug gekleidet,
marschierten neben durchaus bestgekleideten
und gerüsteten vollgefressenen Herren.
Als die Arbeiter mit dem Gesang der
,Internationale’ die Musik der
Stahlhelmer übertönten, gingen
die Stahlhelmarbeiter mit geduckten
Köpfen, ohne ,Frontheil’
Geschrei.“(96)
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