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Ernst Thälmann schreitet „die Front“ ab ca. 1926
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Hamburger Volkszeitung (HVZ) wichtigste Zeitung der KPD im Gau Wasser-
kante v. 23. Juli 1927
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Kampfliederbuch
der KPD, Viva 1923
 
 
 
Schalmeienklänge im Fackelschein      - 2 -
Auszug: Kap. 4.2.2.1 (S. 312-322)      





























Nachdem der Reichsinnenminister Külz sich in einem Rundschreiben an die Landesregierungen gegen die militärische Betätigung von Verbänden ausgesprochen hatte, dabei aber „Geländespiele, Ausflüge, Schießen mit nichtmilitärischen Waffen“ ausdrücklich als „nicht ohne weiteres Übungen militärischer Art“ ausnahm, sah die HVZ darin lediglich eine „bessere ,Tarnung’, Verhüllung der reaktionären Rüstungen gegen die Arbeiterschaft“.(78)

Die zunehmende Gewaltbereitschaft, die mit dem Beginn des Jahres 1927 zu verzeichnen ist, und die daraus resultierenden Auseinandersetzungen mit den politischen Gegnern machte die Benennung eines Feindes notwendig. Mit Blick auf die Einheitsfronttheorie bot sich offensichtlich der Begriff Faschismus wie kein anderer an, wenn auch die inhaltliche Substanz der Feindbestimmung noch äußerst dürftig war. Als die Bremer KPD das angekündigte Schalmeien-Konzert am 23. März in eine Protestkundgebung umänderte, galt die Zielrichtung „der Konterrevolution und ihren Trägern“, als die sie die „faschistischen Organisationen“, die Polizei und den Senat, ausmachte.(79) Eine zusätzliche verbale Gleichsetzung fand mit der Übernahme eines Wortes aus der politischen Begriffswelt Rußlands statt, das später ebenfalls stärker zur Entfaltung gelangen sollte und wiederholt synonym gebraucht wurde: „weiße Banditen“ (s. auch Liste 2). In Anlehnung an die - zumindest propagandistische - politische und militärische Zweiteilung russischer Verhältnisse in Rot- und Weißgardisten wurde - bewußt oder unbewußt - versucht, dieselbe nach Deutschland zu übertragen. Daß die ausschließlich zweiteilige Nutzung auch mit der Marxschen Zweiklassen-Theorie zusammenhängt, machte die Bremer AZ deutlich, als sie den Vertreter des KPD Bezirks Nordwest, Taube, anläßlich des Untergautreffens in Wilhelmshaven-Rüstringen mit der Schlußfolgerung zitierte:

„es gibt nur zwei Klassen, Ausbeuter und Ausgebeutete. Ihr müßt euch in der Front der Ausgebeuteten zusammenschließen.“(80)

Auf der Bremer Demonstration vom 23. März, die innerhalb der Märzagitation stattfand, wurde somit nicht nur die Aufforderung „Hinein in die Rote Jungfront“ skandiert, sondern auch ein Plakat folgenden Inhalts getragen:

„Nieder mit dem Faschismus, bildet Selbstschutz!
Arbeiterblut ist geflossen, schafft Selbstschutz!“(81)

Gleichzeitig wurde gegen den „faschistischen Rummel“ am 3. April mobilgemacht, deren Ausrichter der Stahlhelm war.(82) 

Am 2. April 1927 fragte die HVZ erstmals „Was ist Faschismus?“, um als Antwort den Artikel mit den Worten einzuleiten: „Der Name stammt aus Mussolinien“.(83) Erstmals wurde eine Definition angewandt, die später vom Bulgaren Dimitroff übernommen wurde(84):

„Er ist die offene brutale Offensive der Besitzenden gegen die Ausgebeuteten.“(85)

Während den Arbeitern außerdem vorgeworfen wurde, daß sie zu wenig über den Begriff nachdenken würden, den Besitzenden daran allerdings die Schuld zugeschrieben wurde, traf ein weiterer Vorwurf „die Sozialdemokratischen Parteien aller Länder“, die es „noch nicht verstanden“ hätten, „sich an die Spitze des Kampfes gegen den Faschismus zu stellen“.

Eine intensivere propagandistische Nutzung des Begriffs Faschismus begann mit den Gegenveranstaltungen zum 8. Reichsfrontsoldatentag des Stahlhelm am 8. Mai 1927 in Berlin. Seit dem 5. des Monats wurden bis zum Veranstaltungstag im ganzen Reich Antifaschistische Kundgebungen veranstaltet. Die Bemerkung des Stahlhelmgründers Seldte „Wir nehmen Berlin im Sturm“ war nicht nur motivierendes Schlagwort für den „Maiaufmarsch mit der KPD“,(86) sondern verbaler Ausgangspunkt zur späteren Gleichsetzung mit Hitlers Propagierung eines „Marsches nach Berlin“(87) - der Stadt, die nicht nur Hauptstadt der Republik war, sondern auch als stärkste Bastion von KPD und RFB galt. Am Tag vor der Berliner Kundgebung sah die HVZ eine „Mordhetze und Überfälle der Faschisten“ und brachte eine erste „Analyse“ unter dem Titel:

„Faschismus, der Todfeind der Arbeiterklasse
Der Mussolinismus in Deutschland“(88)

Die Auseinandersetzung, die vom ZK der KPD stammen dürfte, bewegte sich auf einem äußerst dürftigen theoretischen Niveau.(89) Als „historische Wurzel“ des internationalen Faschismus wurde „die Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution“ bezeichnet.(90) Prägend dafür sei die „Herrschaft des Finanzkapitals“, die zu einer tiefgehenden Veränderung der sozialen Struktur in den großen Industrieländern führe. Diese zeige sich einerseits durch die Herausbildung einer „Arbeiteraristokratie“, der „es auf Kosten der ausgebeuteten kolonialen und halbkolonialen Völker“ möglich würde, sich „eine privilegierte Lebensstellung“ zu sichern, während es andererseits „breite Schichten des Kleinbürgertums zum Ruin“ verdammen würde. Das wiederum steigere „die Ausbeutung der Arbeiterklasse und läßt eine permanente Riesenarmee von Erwerbslosen aus dem Produktionsprozeß“, was zum „sozialen Zerfall der bürgerlichen Gesellschaft“ führe. Dieser äußere sich „in der Häufung aller parasitären Elemente an ihrem oberen, aller Elemente des Elends an ihrem untern Pol“. Beide seien die „doppelte soziale Wurzel des internationalen Faschismus“.

Da die imperialistische Epoche auch die „Epoche der proletarischen Revolution“ und somit „das Zeitalter der gewaltigsten Klassenkämpfe, des verschärften Bürgerkrieges, des bewaffneten Aufstandes“ sei, „entstand die besondere Kampfmethode des Faschismus, der Terror gegen die Arbeiterbewegung“. Im „Moment einer revolutionären Situation“ würde „nicht nur die bürgerliche Demokratie jämmerlich“ zusammenbrechen, „sondern auch die Unterdrückungskräfte der legalen kapitalistischen Staatsmaschine drohen vor dem Ansturm des kämpfenden Proletariats zu versagen“. Die Bourgeoisie benötige somit „neue Methoden zur Niederhaltung der Arbeiterklasse“. Die wichtigste davon sei der - nun zur Methode gewordene - Faschismus. Dessen Eigenart sei „die Verbindung der direkten Gewaltanwendung gegen die Arbeiterklasse mit der politischen Gesinnung Tausender von Werktätigen und sogar gewisser proletarischer Elemente für die Ziele der Bourgeoisie unter dem Deckmantel der nationalistischen und faschistischen Demagogie.“ Schlagwortartiger Schluß dieses „Gedankens“ war die Verbindung zum russischen Vokabular, indem der Faschismus als „weiße Bajonette mit der gelben Ideologie“ bezeichnet wurde.
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Z e i t s c h r i f t   f ü r   M u s i k -   u n d   S o z i a l g e s c h i c h t e  (ZMUSO)
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Betriebsfaschismus    (4.6.27)
Werkfaschismus     (8.1.28)
Sozialfaschismus    (14.3.28)
Nationalfaschismus    (14.3.28)
Schulfaschismus     (8.10.1930)
Schiffahrtsfaschismus    (5.6.31)
Stahlhelmfaschismus    ()
Brüning-Faschismus    (18.9.31)
Kulturfaschismus    (5.10.32)
Zentrumsfaschisten    (4.11.31)
Bismarck-Faschisten    (1.4.27)
Reichsfaschistentag    (21.3.28)
Reichsbannerfaschisten    (28.11.28)
Faschistische „Ständekammer“  (22.10.31)
Faschistischer Wehrsport    (28.10.32)
Faschistische Gaststätten    (7.1.32)
Brünings faschistische Volksgemeinschaft  (11.1.32)

Liste 1  Faschismus - Faschisten usw.103


- Weiße Banditen    (23.3.27)*
- Weiße Horden     (28.3.27)*
- Weißer Terror      (7.5.27)
- Weiße Armee     (24.5.27)
- Weiße Front     (26.5.28)
- Weiße Bajonette    (7.5.27)
- Weiße Bestie     (7.11.29)
- Mussolinismus     (7.5.27)

Liste 2  
Alternativ genutzte Begriffe mit "Faschismus"-Charakter(106)
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