T o n s p l
i t t e r
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Z e i t s c h r i f t f ü r
M u s i k - u n d S o z i a l g e s c h i
c h t e (ZMUSO)
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Rezensionen
Herbert Fuchs, Wohlan, wer Recht und
Wahrheit achtet …, Hamburg 2006 DIN A4, 64 S.
Das vorliegende 64 Seiten starke
Liederbuch im DIN A4 Format enthält 34 Lieder der
sozialdemokratischen Arbeiterbewegung bzw. solcher, der sie
sich verpflichtet fühlt. Entstanden ist das Liederbuch aus
der Praxis einer Gruppe ehemaliger Hamburger Falken und wird
von denen eigentlich nur als Begleitheft zu einer CD
verstanden. Zuvor hatten die 35 Sängerinnen und
Sänger bereits halbprofessionell drei CDs mit
„Falkenliedern“ aufgenommen. Doch besonders die
„Kampflieder“ der sozialdemokratischen
Arbeiterbewegung sollten „vor dem Vergessen“
bewahrt werden. Und so verstehen sie ihre CD auch als eine
„Archivplatte“, da den Sängerinnen und
Sängern bewusst ist, „dass diese Lieder nicht wieder
neu erstehen können und jetzt Geschichte sind“. Die
Autoren legen besonderen Wert darauf, dass es sich bei der
vorliegenden Liedsammlung um eine
„sozialdemokratische“ handelt und betonen die
Unterschiede zur KPD Weimars, der DKP Westdeutschlands und der
SED in Gestalt der DDR-Forschung.
Das Liederbuch/Heft beginnt mit einem
historischen Abriss über „die Lieder der
Abeiterbewegung“, die Schwierigkeiten der Tradierung und
der neuerlichen Suche nach Ihren Ursprüngen und ihrer
Geschichte. Den Liedern vorangestellt ist noch ein
„Zeitleiste zur Entstehung der Lieder“, in der
leider die Marseillaise vergessen wurde, die doch für die
Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts so bedeutsam gewesen war.
Den „vollständigen“
Liedertexten wurden gleich mehrere Register angehängt. Es
beginnt mit „Erinnerungen und Gefühle beim
Singen“ einiger spezieller Lieder, denen die Textdichter
und Komponisten folgen. Die nächste Rubrik beinhaltet eine
„Beschreibung der Geschichte der Lieder, ihrer Herkunft,
die ursprünglichen Texte und die Veränderungen, die
sie oft erfahren haben“. Die Reihenfolge der Lieder ist
leider nicht alphabetisch und nach Titeln, nicht nach der
Anfangszeile sortiert, was ein Arbeiten zusätzlich
erschwert. Des weiteren folgen
„Sacherklärungen“ zu Personen und Ereignissen
und eine Literaturliste.
Heft und CD sind in den Farben
Schwarz-Rot-Gold gehalten. Das ansprechend gestaltete Heft
dokumentiert darüber hinaus die Titelseiten historischer
Liederbücher, Plaketten sozialdemokratischer
Organisationen, Plakate zu Jugendtagen und die Wiedergabe
einiger historischer Abbildungen.
Meine Kritik möchte ich mit den
Dingen beginnen, die mir nicht so gut gefallen. An erster
Stelle steht natürlich das Fehlen von Noten, die für
mich unbedingt bei einem Liederbuch dazu gehören - auch
wenn die Lieder auf der CD zu hören sind. Dann ist mir das
Heft etwas zu sehr durchorganisiert. Im Sinne einer
übersichtlichen Information wäre für den Leser
ein einziges Register sicherlich überschaubarer und
praktischer gewesen.
Sehr Lobenswert ist der Versuch über
Textdichter, Komponisten und die Geschichte der Lieder mehr
Informationen zu sammeln und zu publizieren - eine
möglichst umfangreiche Information wird ja auch von
Tonsplitter bevorzugt, ja gefordert. Herbert Fuchs offenbart
mit seinen „Gesinnungsgenossen“ die Schwierigkeit
einer derartigen Recherche.
„Es gibt keine zentrale Stelle, in
der systematisch die Dichter und Komponisten unserer Lieder
erfasst sind. Aus verschiedenen Quellen, Bücher,
Manuskripten, Informationen von Archiven und dem Internet
wurden die Daten zu diesen Menschen zusammengetragen. Das
‚Archiv der Arbeiterjugendbewegung’ und die
‚Friedrich-Ebert-Stiftung’ haben uns geholfen. In
vielen Fällen war das aber nicht mögliche und deshalb
stehen hier häufiger die Hinweise, dass es keine genauen
Informationen gibt.“
Das Repertoire beginnt, für mich
etwas unverständlich, mit „Die Gedanken sind
frei“. Und ob „Das Bürgerlied“ in die
Reihe sozialdemokratischer Lieder gehört ist zumindest
zweifelhaft. Was dann folgt ist eine spannende musikalische
Reise durch die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands über rund 100 Jahre (von 1848 bis 1948). Sehr
lobenswert auch, dass mit dem Reichsbanner
Schwarz-Rot-Gold ein wichtiges
Kapitel der Weimarer Zeit nicht verschwiegen wurde. Die
„Kampf und Schutztruppe“ war 1924 von der SPD dem
Zentrum und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP)
gegründet worden, um die Republik zu verteidigen. Ihre
„Hymne“ entnahmen sie der demokratischen Bewegung
um 1848. Ferdinand Freiligrath hatte den Text „In
Kümmernis und Dunkelheit“ in Anbetracht der
Situation im März 1848 geschrieben, dem sich die
sozialdemokratischen Frontkämpfer verpflichtet
fühlten. Im Reichsbannerliederbuch von 1924 ist es an
erster Stelle unter dem Titel „Schwarz-Rot-Gold“
abgedruckt und mit Noten versehen.
Während einige der Lieder sich auch
in den letzten Jahrzehnten noch in Liederbüchern befanden,
ist ein Großteil nur noch in historischen Exemplaren zu
entdecken. Da Lieder von der Kinderrepublik Seekamp oder das
„Kölbrandlied“ lediglich in regionalen Studien
zu finden sind, ist die Herausgabe des Liederbuches umso
verdienstvoller. Sie waren auch sichtlich bemüht, ein Lied
zu finden, dass die Situation der Frau, der Arbeiterin
behandelt und wurden fündig. Wer sich mit den Liedern
jener Phase auskennt, weiß dass das nicht einfach ist.
Die Autoren betonen, dass es sich nicht um
eine wissenschaftliche Sammlung handelt und machen auf die
Schwierigkeiten bei der Recherche aufmerksam. Letzteres
verbinden sie mit der Bitte, ihnen zu helfen die Lücken zu
schließen. Ein Wunsch, den wir hiermit gerne weiter geben
und noch um eine eigene Bitte ergänzen wollen. Spannend
sind die Geschichten der Lieder, die im Kampf unterschiedlicher
Gruppierungen eine Rolle spielten. In erster Linie fällt
mir dabei der Kampf zwischen SPD und KPD in der Weimarer Zeit
ein, in der Lieder wie „Seh ich rote Fahnen wehen“,
„Feindliche Stürme“ (Warschawjanka),
natürlich die Internationale oder „Unsterbliche
Opfer“ von beiden (oder gar noch anderen) Seiten gesungen
wurden.
WH (August 2006)
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